Mittwoch, 17. Mai 2006

Torres del Rio - Viana ***** 17. Mai 2006 *****

Die meisten der Stempel ziert übrigens die Strahlenmuschel. Sie findet sich auch da und dort am Wegesrand oder in Mauerwände eingelassen. Manche sind ein tolles Fotomotiv. Ein solches lichtete ich ab. Einige dieser eingelassenen Muscheln sind m.E. jedoch falsch herum angebracht, sodass sie nicht als Richtungsweiser dienen, was sie eigentlich auch sein können und sollen. Die Strahlen des breit gefächerten Rundes stehen meines Erachtens für die einzelnen Wanderwege. Sie laufen alle in einer Spitze, die in einem Rechteck ruht, zusammen. Das Rechteck, glaub ich, kann für das Grab des Heiligen Jakobus stehen. Somit müsste die „Muschelwurzel“ eigentlich zum Ziel aller Pilger weisen, was sie aber wie festgestellt, nicht immer tut. Das ist meine Auslegung des Symbols der Jakobsmuschel. Ob andere es auch so sehen, weiß ich nicht, wenigstens las noch nichts davon.

Die überall am Wegesrand zu findenden kleinen Steinpyramiden sind dagegen mehrfach beschrieben. Auch ich nahm kleine Steine auf und schichtete sie auf die schon vorhandenen. In einem der vielen Jakobsbücher las ich, dass man Steine von zu Hause mitnehmen sollte, um sie auf solche Pyramiden zu legen. Tolle Gebilde sah ich. Bei einigen entstand bei mir der Eindruck, die Erbauer hätten viel Zeit damit verbracht, sie in diese kunstvolle Form zu bringen. An einer Wegesstrecke fand ich hunderte kleiner Pyramiden. Diese, an einem Ort geballte Masse von Steinpyramiden standen geschützt und überlebten wohl so Regen und Stürme, wie der Weg das über Jahrhunderte schaffte. Ich weiß nicht, ob andere Pilger es so wie ich machten: ich gab meinen kleinen Steinchen vor der Ablage einen Kuss und einen Wunsch mit. Legte so mit jedem von ihnen ein kleines Päckchen ab. Einmal löste sich bei diesem Aufschichten ein Schmetterling von einer danebenstehenden Blume, die Spitze der kleinen Pyramide dabei überfliegend. Ich glaube, mein Wunsch hat damit Flügel bekommen. Ich hatte keine Flügel, doch quälte ich mich trotzdem nicht über den Weg, trotz meiner 95 kg.

Sind Dicke wie ich nicht leistungsfähig? Ich war’s während der ganzen Zeit. Wie ein Weltmeister lief ich unbehütet durch die Sonne, wusch sogar eine zu lang getragene Unterhose. Ich quatschte dabei mit denen, die mich jeweils begleiteten. Viele Ideen kamen mir, die in japanischer Versform die Zettel füllten. Sie nährten den Geist und schufen dadurch Energie, Nahrung für die Seele und auch die Beine. Viel Bewegung, wenig Essen erhöht die Lebenserwartung behaupten Ärzte. Ist der Weg deswegen ein Jungbrunnen? Ich denke, seine Kraft liegt – und das kommt in einigen Gedichten zum Ausdruck- in seiner positiven Strahlung, die angereichert wird mit den Empfindungen der auf ihm Laufenden. So entsteht eine Wechselwirkung zwischen Weg und Pilgern. Der Weg ist in meinen Augen ein langgezogener Ort der Kraft. Ich finde es nicht verwunderlich, wenn Sensitive auf ihm tiefe geistige Erlebnisse haben. Lese ich meine dort quasi im Gehen notierten Gedanken heute, nach mehreren Monaten, es ist schon August, verwundern sie mich teilweise. Völlig unterschiedlich sind sie. Doch alle drehen sich um den Weg. Die Fotos sind nebenbei entstanden, zeigen Durchblicke, Blumen, roten Mohn und immer wieder das Band des Pilgerwegs, das alles und alle verbindet.

Ein Treckerfoto erinnert mich daran, wie fleißig die Weinbauern waren. Überall sah ich sie auf ihren flachen Weinfeldern. Sie zogen Unkraut oder schnitten frische Triebe. Ich erinnerte mich dabei an einige unbeschwerte Ferien, die ich in der Pubertät bei Tante Susi und ihrem Mann bei Saarburg verbrachte. Mädels waren für mich damals unerreichbar, ich war insoweit wohl ein Spätzünder. Das Weingut von Onkel Georg Faber, er gab dem FABER SEKT seinen Namen, lag in Staadt in einer Saarschleife unterhalb der Klause von Serrig, einer alten keltischen Befestigung. Dort befindet sich seit den Weltkriegen ein gut gepflegter Soldatenfriedhof. Um Taschengeld zu verdienen, zog ich mit meinen Vettern Dieter und Bernd Hausen-Mabilon in den steilen Berghängen Unkraut. Ich schwitzte mächtig dabei, denn der Schieferboden reflektierte heftig die pralle Sommersonne. Da ich schon damals übergewichtig war, tat es mir eigentlich gut. Vielleicht stammt daher meine Unlust an Gartenarbeit? Hier in Spanien kam es mir vor, als ob jeder Kleinbauer sein eigenes Weinfeld hätte. War deswegen der Rote so preiswert? Ich trank und trinke ihn gerne. Er diente mir dort weniger als Durstlöscher, sondern wie auch zu Hause mehr der Gesundheit wegen. Rotwein soll lebensverlängernd wirken. Vielleicht ist das der Jakobsweg auch. Das denken sicher die, die ihn mehrfach laufen, getreu dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Lauf durch die Gegend
soweit die Füße tragen
genieß die Landschaft.

Überwinde ihn
den inneren Schweinehund,
gewinn ihn zum Freund

Steinpyramiden
säumen der Wanderer Weg
gebe ihnen Halt.

Schwer ist das Paket
das in die Ferne abgeht
voll guter Wünsche

Gib deine Wünsche
den Kieseln mit ’nem Kuss mit
für deine Daheim.

Einen Blumenstrauß,
bunt, duftend vom Wegesrand,
schick ich nach Hause.



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