Samstag, 20. Mai 2006

Najera - Santo Domingo de la Calzera***** 20. Mai 2006 *****

Viele Weiler, Dörfer, kleine und größere Städte durchlief ich. Ich hätte mir wie andere Stichpunkte über die einzelnen Stationen machen sollen. So ist heute das meiste verwischt, überlagert, versunken im Brei der Erinnerung. Einige Dorfplätze blieben im Gedächtnis, schöne alte Kirchen, an denen fast überall heftig der Zahn der Zeit nagte. Auf den meisten waren belegte Storchennester. Ein willkommenes Fotomotiv. Eine Hochzeit erlebte ich in einer der Kirchen. Die hübsche Braut mit dem coolen Bräutigam fotografierte ich später. Ob sie wohl einen notariellen Ehevertrag haben? Schilder von Berufskollegen sah ich und fotografierte eines für mein Büroalbum. So bannte ich auch mich interessierende Türen, Tore, Gitter auf den Chip. Sie wanderten inzwischen in das diesbezügliche Spezialalbum. Jeder hat halt andere Interessen/Macken.

Das stellte ich bei der erwähnten Gruppe aus Düsseldorf fest. Sie wurden von ihrem Diakon begleitet, der den Lakaien spielen musste. „Er verbringt ja bezahlten Urlaub mit uns“ (den acht katholischen Gemeindeschäflein). So lief er voraus und orderte die Herbergen, bestellte den Tisch in dem kleinen Dorfrestaurant und sah nach, wann die Pilgermesse war, die sie an jedem Abend besuchten. Da er einige Jahre in Brasilien gearbeitet hatte, sprach er fließend Spanisch und ebnete auch sonstige Hindernisse. Diese netten Leute, wir unterhielten uns da und dort abends sehr angeregt, liefen aus religiösen Beweggründen.

Die nächsten Gedichte bedürfen keiner Erläuterung. Sie sind so verständlich. Auf dem Weg von Navarette nach Najera traf ich auf ein tief verliebtes Pärchen, ich glaube, sie hießen Marie und Gerd. In Nähe der holländischen Grenze wohnten sie. Mit Österreichern traf ich sie vor Burgos wieder, wo wir gemeinsam einliefen. Sie erzählte, sie sei mit ihrem Mann, er sei Jäger, zuvor im Harz Probe gelaufen. Nun ruhte seine Flinte. Amüsiert hörten sie sich dann das an, was ich von meinem letzt jährigen Vor-Wander-Übungslauf berichtete.

Drei Freunde aus Ahlen besuchten mich für ein verlängertes Wochenende in Bockau/ Erzgebirge. Sie hatten den Wunsch geäußert, von dort nach Karlsbad zu laufen. Das sind mit dem PKW über Oberwiesenthal 80 km, per Rad oder zu Fuß vielleicht zwischen fünfzig und sechzig. Meine einheimischen Freunde meinten, man könne es gut an einem Tag schaffen. Eine Woche vor dem Eintreffen von Jürgen, Walter und Wolfgang, fuhr ich in Begleitung meines Lions Freundes Edgar nach Tschechien. Dort kaufte ich in Sachsen leider nicht erhältliche Wanderkarten und organisierte das Übernachtungshotel hinter der Grenze. Edgar kannte sich aus und legte fest, wo wir herlaufen sollten. Der Rucksack meines mittleren Kindes Tilo stand gepackt bereit.

Mein Schulfreund Jürgen rief kurz vorher noch mal an. Freudig berichtete ich ihm von meinen Bemühungen und, dass alles klappen würde. Er druckste herum. Sie wollten ja eigentlich laufen. Das müsse aber nicht sooo unbedingt sein! Ich sagte es würde gelaufen. Alles sei organisiert. Insgeheim freute ich mich jedoch sehr über diese Absichtsänderung. Sie entsprach ganz meinen Wünschen. Das Wetter war mies. Man hatte Regen vorausgesagt. Ich rief meinen Stammtischfreund Heinz Neubert in Stützengrün an. Er hat eine große Zimmerei. Als Hobby betreibt er Kremser Kutschfahrten. Mit ihm verabredete ich, er solle am übernächsten Tag ca. vier km von meinem Haus im tiefen Bockauer Wald mit seiner Kutsche um 10 Uhr stehen und uns von dort zur Grenze nach Johangeorgenstadt fahren. (In Bockau beginnt das größte zusammenhängende Walgebiet Deutschlands. Das Erzgebirge ist eine wunderschöne Gegend.) Am Abend vor der geplanten Wanderung nahm ich meine Ahlener mit zum Stammtisch. Die anderen Kollegen, die nichts von der Absprache wussten, bewunderten unser Vorhaben und gaben noch gute Tips. Es war kalt, es nieselte, als wir morgens aufbrachen. Verabredungsgemäß stand Heinz mir seinem offenen Landauer auf dem Waldweg. Meine Freunde wunderten sich, den Stammtischfreund vom Vorabend hier zu sehen, dachten sich aber immer noch nichts, bis ich eröffnete, er brächte uns zur Grenze. Ihnen fiel ein Stein vom Herzen. In Johanstadt stiegen wir in den Zug und kamen gut erholt in Karlsbad an. Auch für den Rückweg benutzen wir die Eisenbahn. Im Gegensatz zu manch anderem Pilger lief ich, der ich schon immer unsportlich war, also völlig unvorbereitet den Camino. Es schadete mir zum Glück nicht. Marie und die anderen meinten das nach diesem Bericht dann auch.

Zurück geht der Blick
auf das Stadtkloster am Fluss
mit dem Gnadenbild.

Schweiß lief beim Anstieg
weit dann die Hochebene
von Wolken gedämpft.

Zwischen Wein und Korn
die Bewässerungsrinnen
reich gibt die Erde.

Gut schmeckt der Kaffee
in der Bar am Ortsbrunnen
danach Gluthitze.

Über Berg und Tal
eine staubige Piste,
abkühlend ein Wind.

Viele Steintürmchen
errichteten die Pilger
mit ihren Wünschen.

Die vielen Steine
können das Ziel verleiden.
Sie sind überall.

Dicke Steinbrocken
können das Ziel verleiden.
Sie sind überall.

Du musst sie mögen -
Felsen, wenn du sie besteigst,
sonst bist du hier falsch.

In den Gedichtstexten, die ich wie erwähnt fast alle im Gehen notierte, nahm ich eine gerade gemachte Beobachtung oder einen Gedanken, der mir durch den Kopf schoss, quasi zu Protokoll. Der Jurist lernt komplizierte Vorgänge in Kurzform wieder zu geben. Ich legte nichts aus, analysierte es nicht, hielt einfach nur was fest. Mit der Kamera fixiert man eine Jetzt Szene, die danach schon der Vergangenheit angehört. Das gleiche, jedoch in epischer Breite, macht der Maler. Bei ihm werden zusätzlich zum Grundmotiv noch Eigenempfindungen in die Komposition mit eingebaut. Es geschieht entweder durch Hinzufügen oder Weglassen. Malen kann ich nicht. Seit dem 14. Lebensjahr fotografiere ich. Die Motive wandelten sich, wie meine Sichtweisen. In Meinen Gedichten, jedes Jahr füllen sie nun einen Leitz Ordner, halte ich auch häufig Nebensächlichkeiten fest, die andere nicht wahrnehmen. So notiere ich, was mir auffällt. Verstecke dabei auch meine Emotionen nicht. All das spiegelt sich u.a. in meinen Gedichten vom Jakobsweg wieder.

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